von Presse AG

Besuch eines Zeitzeugen

Am 17. Januar 2025 besuchte uns Andreas Thieme, ein Zeitzeuge aus der DDR. Der jetzige 73 jährige wurde als "Systemgegner" mit 20 Jahren zu 2 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt.

Nach einer kurzen Vorstellung begann Herr Thieme mit seiner Lebensgeschichte. Schon von klein auf an wuchs er in einer geschlossenen Dorfgemeinschaft auf, in der keine Staatssicherheit vorhanden war. Sein Vater war stets ein Kriegsgegner und ein Vorbild für Andreas Thieme. Nach den Sommerferien 1961 fiel ihm auf wie einige seiner Klassenkameraden verschwanden. Viele Flüchteten durch die Ankündigung des Mauerbaus. Als er in die vierte Klasse kam, antwortete er nicht auf das vom Lehrer gerufene "seit bereit, ( immer bereit)", daraufhin zerriss er vor seinem Lehrer einen Zettel, der gegen die christliche Kirche gerichtet war und stand nun auf der Note 5. Mit diesem Tag begann sein Widerstand gegen das System der DDR.

Mit 16 Jahren kleideten sich viele in seiner Klasse und er selbst amerikanisch, um sich von der DDR abzugrenzen. Die Schule sah dies als "Angriff auf das System" und die Schüler mussten sich umziehen. Außerdem pflegte seine Schule jeden Montagmorgen einen Appell, bei dem sich alle militärisch aufstellten, gute Schüler Lob bekamen und schlechte Verweise erhielten. Seine Freundesgruppe machte es sich zur Aufgabe, am meisten nach vorne gerufen zu werden. Zusätzlich stand hinter dem Namen jedes Schülers ein A, B und I, was für ihre soziale Herkunft stammte. A bedeutete Arbeiterfamilie, B Bauer und I stand für die Intelligenz. Mit dem Notendurchschnitt von 2,4 verließ er dann die Schule.

Als 1961 die Mauer zwischen DDR und BRD gebaut wurde, entdeckte ein Bekannter von ihm die Selbstschussanlagen. Der Bekannte versuchte diese sogar abzubauen, wurde dabei aber erschossen. Nach seinem Abschluss hatte er entschieden, Lehrer zu werden, fiel aber absichtlich durch, da er gegen das, von der DDR gewollte, "Gewalt ist eine Lösung" im Beruf des Lehrers war. Zusätzlich war er lange in einer Band, die Rock Musik spielte, was in der DDR ebenfalls verboten war. Seine Band versuchte zu flüchten, doch er bleib aufgrund seiner Tochter zurück.

Mit seinem 20ten Lebensjahr wurde er schließlich als Gegner des Systems verhaftet. Er selbst konnte sich seine Stasi Akte sogar durchlesen, in der alle Dinge, welche die DDR als Angriff auf ihr System wahrgenommen hatten, standen. Zuerst war er in einer Einzelzelle, was als Isolationsfolter bezeichnet wird. Während seines Prozesses bezeichnete man ihn als Wolf Biermann, welcher eine gefährdende Schlüsselfigur für die DDR war. Danach kam Herr Thieme in ein Gefängnis für politische Gefangene, in dem 30 Leute waren. Hier gab es vier Stockbetten und ein Waschbecken in seiner Zelle. Wenn Sträflinge Ärger machten, kamen sie für zehn Tage in den Dunkelarrest. Zu trinken gab es einen Liter Wasser und zu essen 200g Brot am Tag. Allerdings mussten sie auch acht Stunden in jeweils drei Schicht Zwangsarbeit verrichten.

Nach seiner Haft wurde er von der BRD freigekauft. Bei der Busfahrt in den Westen, schwiegen alle bis zur Grenze, danach jubelte man. Dort wurde das Nummernschild gewechselt und sie fuhren in ein Notaufnahmelager, wo sie feierten. Leider verlor er das Sorgerecht seiner Tochter, aber als die Mauer gefallen war, trafen sie sich und schickten sich regelmäßig Pakete. Jetzt, 2025, ist seine Befreiung aus der DDR 50 Jahre her.

 

Text von: Lina Brüggemann

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